Lasst uns Brainstormen! Voraussetzungen für gelingende Partizipation

Brainstorming ist eine beliebte Methode zur Partizipation

Neulich erhielt ich die Anfrage einer Führungskraft*, ob ich sie bei der Vorbereitung eines Ideenworkshops mit ihrem Team unterstützen könne. Zentrales Thema der Beratung war, wie die Führungskraft ihre Mitarbeitenden an einem Ideenfindungsprozess beteiligen kann, ohne ihre übergeordnete Entscheidungshoheit aus der Hand zu geben. Dieses Dilemma zwischen Beteiligung und Steuerung begegnet mir häufig – sowohl in größeren Veränderungsprojekten als auch bei Workshops auf Teamebene. Nicht selten enden gut gemeinte Initiativen in frustrierender Pseudo-Partizipation. Damit Partizipation gelingt, braucht es eine bewusste Entscheidung der Führungskraft, in welchen Fragen sie wirklich offen für Beteiligung ist, und was mit den erarbeiteten Ergebnissen passiert. Diese Leitfragen helfen in der Vorbereitung…

1. Wozu Partizipation?

Zu Beginn der Beratung fragte ich meine Kundin Deniz (Name geändert), was der Hintergrund ihres geplanten Workshops sei und wozu sie die Teammitglieder am Ideenfindungsprozess beteiligen wolle. Deniz sah mich überrascht an: Gehört ein partizipativer Führungsstil nicht inzwischen zum Standard moderner Führung? Stimmt, Partizipation ist in Zeiten agiler Zusammenarbeit und selbstorganisierter Teams ein großer Wunsch vieler Mitarbeiter*innen wie Führungskräfte. Doch auch in diesen Kontexten lohnt es sich, immer wieder zu überprüfen, ob und in welchem Umfang Partizipation zielführend und möglich ist.

Deniz antwortete: “Ich möchte das Commitment meiner Mitarbeitenden hinsichtlich unseres ABC-Prozesses erhöhen und hierzu ihre Ideen zur Prozessoptimierung sammeln.” Ideen sammeln, Commitment erhöhen, Prozess optimieren. Gleich drei Ziele in einem Satz. Ich fragte weiter, was das wichtigste dieser drei Ziele sei. “Naja, das Commitment”, sagte sie. “Ich will, dass endlich mal Ruhe ist und nicht ständig an diesem Prozess rumgenörgelt wird. Das hält uns regelmäßig von unserer eigentlichen Arbeit ab.” Aha. “Und so richtig gut ist er ja auch wirklich nicht, der Prozess. Da könnten ein paar frische Ideen nicht schaden.” Oho.

Ich beteilige euch, um euch die Lust an Beteiligung zu nehmen

Im weiteren Verlauf des Gesprächs stellte sich heraus, dass der von den Mitarbeitern bemängelte Prozess an vielen Stellen auf unternehmensweiten Vorgaben basierte. Der Spielraum der Führungskraft und des Teams zur Veränderung wesentlicher Prozesselemente war gering. Trotzdem wollte die Führungskraft Ideen zur Optimierung sammeln. Jedoch nicht in erster Linie, um diese anschließend umzusetzen – das konnte sie ja nicht – sondern um die Teammitglieder in der Erarbeitung live erleben zu lassen, dass der Handlungsspielraum begrenzt ist. So hoffte sie, dass ihre Mitarbeiterinnen sich endlich mit dem Status Quo abfinden würden, wenn ihre Optimierungsideen auf die Unternehmensrealität stoßen würden.

Eine solche Herangehensweise begegnet mir häufig. Meist entsteht sie aus einer Ratlosigkeit der Führungskraft angesichts unterschiedlicher Erwartungen: Auf der einen Seite die Organisation mit ihren Vorgaben, Zielen und Erwartungen, auf der anderen Seite das Team mit seinen Bedürfnissen, Hoffnungen und nicht selten guten Ideen im Sinne des Unternehmens.

In solchen Situationen hilft es, sich bewusst zu machen, dass es unmöglich ist, all diese Erwartungen zu 100% zu erfüllen. Die Kunst ist es, sie miteinander in Verhandlung zu bringen. Hierbei hilft eine klare Kommunikation über die zweite Leitfrage.

2. Was ist bereits entschieden und was steht zur Diskussion?

Bei Deniz schien die Situation klar: Der Prozess ist gesetzt und daran würden auch die Optimierungsideen der Teammitglieder nichts ändern. Vor diesem Hintergrund hätte ich ihr raten können: “Lass das mit dem Workshop. Wenn der Prozess nicht zu ändern ist, dann frag gar nicht erst nach Optimierungsideen.” Doch meine Klientin hatte einen weiteren wichtigen Satz gesagt: “So richtig gut ist der Prozess ja wirklich nicht.”

Wir schauten uns also an, was an dem Prozess nicht gut war. Und wie sich das im Arbeitsergebnis des Teams und anderer Bereiche des Unternehmens bemerkbar machte. Es stellte sich heraus, dass diese Probleme im Unternehmen bisher kaum thematisiert worden waren. Und dass es durchaus einen gewissen Spielraum hinsichtlich der Prozessgestaltung gab. Dort nämlich, wo es nicht um die Einhaltung gesetzlicher Regelungen und unternehmensinterner Vorgaben ging, schien es der Führungskraft vertretbar, teaminterne Änderungen zu beschließen und mit den Schnittstellenpartnern im Unternehmen zu vereinbaren.

Damit hatte meine Klientin einen abgegrenzten Bereich identifiziert, in dem Partizipation durchaus möglich war. Sie konnte nun in den Workshop gehen und ihrem Team genau diesen Bereich zur Ideenentwicklung nennen.

Den Handlungsspielraum zu Beginn des Workshops klar benennen

Das ist wichtig, damit nicht nur der Führungskraft der Handlungsspielraum des Teams bewusst ist, sondern auch die Teammitglieder wissen, in welchem Rahmen sie Ideen generieren können uns sollen. Fehlt diese klare Kommunikation zu Beginn des Workshops, so entsteht schnell das Bild, alle könnten ihre persönlichen Befindlichkeiten in den Ring werfen und erwarten, dass sie berücksichtigt werden.

Wenn Führungskräfte den Rahmen der Ideenentwicklung hingegen deutlich kommunizieren, können sie im Laufe der Moderation immer wieder darauf zurückkommen. Das schafft eine gemeinsame Orientierung für alle und entlastet das Team davon, die Einzelbefindlichkeiten miteinander verhandeln zu müssen.

Entscheidend ist, diesen Rahmen vor der Ideensammlung zu setzen.

3. Was passiert mit den Ergebnissen?

Zum Ende der Beratungssession habe ich mit Deniz die Frage betrachtet, was sie mit den gesammelten Ideen zur Prozessoptimierung nach dem Workshop tun würde. Denn auch wenn bis hierhin alles stimmig war, würde ein Versanden der zusammengetragenen Ergebnisse wiederum zu Frust bei den Teammitgliedern führen.

Es lohnt sich, bereits im Vorfeld genau zu überlegen, welche weiteren Schritte es zur Umsetzung braucht, und welchen Handlungsspielraum Führungskraft und Team dabei haben. Was lässt sich direkt umsetzen? Wobei braucht es Abstimmung mit Schnittstellenpartnern? Und wo braucht es eine Freigabe durch übergeordnete Führungsebenen? Diese Unterscheidung am Anfang des Workshops zu benennen, ist ein weiterer Erfolgsfaktor für gelingende Partizipation. So versprechen Führungskräfte nichts, was sie nicht halten können. Die Beteiligten haben realistische Erwartungen und können bei der Ideensammlung vielleicht sogar schon die Perspektive der genannten Stakeholder mitberücksichtigen.

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Dieser Artikel wurde zuletzt am 11.06.2024 überarbeitet.

Bild: Unsplash, Patrick Perkins

*Genderspezifische, genderneutrale und genderinklusive Formen werden gleichbedeutend verwendet und beziehen sich auf Personen nicht-binärer, weiblicher und männlicher Geschlechtsidentität.

3 thoughts on “Lasst uns Brainstormen! Voraussetzungen für gelingende Partizipation

  1. Liebe Anne,
    ich werde mich redlich bemühen, meine leitende Mitarbeiterin nicht zu frustrieren und ihren Ideenfindungsprozessen freien Lauf zu lassen. Im Zweifelsfall hoffe ich auf Ihre Beratung. 🙂
    Herzliche Grüße,
    Gerhard

    1. Hallo Gerhard,

      danke für Ihren Kommentar! Ich wünsche Ihnen und Ihrer Mitarbeiterin einen erfolgreichen Ideenfindungsprozess und bin zuversichtlich, dass er wunderbare Ergebnisse hervorbringen wird. 🙂

      Herzliche Grüße
      Anne

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