Schon lange liegt auf meinem Stapel angefangener Blogbeiträge ein Entwurf über gelingendes Feedback. Als ich dann vor ein paar Wochen den Aufruf von Sarah Biendarra und Comspace zur Blogparade “Feedback” gesehen habe, war das ein willkommener Anlass, den Beitrag endlich fertigzustellen. Das war gar nicht so einfach bei einem Thema, zu dem es so viel zu sagen gibt, und über das andererseits schon alles gesagt zu sein scheint.
Stolpersteine beim Feedbackgeben – und was wirklich hilft
Feedback gehört zu den grundlegenden Instrumenten wirksamer Zusammenarbeit und Führung. Eine Feedbackkultur – was immer das genau ist – gilt als wesentlicher Erfolgsfaktor für Innovation und Entwicklung auf persönlicher und organisationaler Ebene. Also wird in Unternehmen gefeedbackt, was das Zeug hält: Führungskräfte sind neuerdings angehalten, nicht nur einmal jährlich, sondern quartalsweise, monatlich und am liebsten “instant” Feedbackgespräche mit ihren Mitarbeitern zu führen. Und nicht nur Führungskräfte sollen feedbacken. Auch Mitarbeiter werden in Pulsbefragungen nach ihrer aktuellen Stimmung gefragt, und Kunden sollen Smileys drücken, um die Qualität des soeben von ihnen in Anspruch genommenen Service zu beurteilen. Wird davon der Service besser, die Führung wertschätzender und die Mitarbeiter zufriedener? Nicht unbedingt. Denn gelingendes Feedback ist unwahrscheinlich. Wenn es in Ihrem Unternehmen mit der Feedbackkultur nicht so recht klappen will, könnte es an einem dieser Stolpersteine liegen:
1. Feedback wird wörtlich genommen
Sowohl der englische Ausdruck “Feed-back” als auch seine deutsche Entsprechung “Rück-meldung” suggerieren, dass Feedback darin besteht, meinem Gegenüber sein eigenes Verhalten zu spiegeln. Ich melde zurück, dass meine Kollegin zu spät zum Meeting erscheint. Ich gebe Feedback, dass mein Mitarbeiter sich nicht an den vereinbarten Prozess hält. Detlev Schütt vom Raum für Führung fragt da zurecht: “Wollen Sie wirklich nur eine Rückmeldung geben? Oder vielleicht doch eine Verhaltensänderung bewirken […]?” Wenn wir “Feedback” wörtlich nehmen, vergessen wir das Wichtigste: Nämlich einen Appell zu formulieren, welche Verhaltensänderung wir uns vom Feedbackadressaten für die Zukunft wünschen.
Was hilft?
Von den klassischen drei Stufen des Feedbacks (Wahrnehmung, Wirkung, Wunsch) ist die letzte die entscheidende. Sie formuliert einen konkreten Wunsch nach Verhaltensänderung. Wie wäre es daher, wenn wir den Prozess einmal umdrehen, und mit Schritt drei anfangen? Das verhindert, dass wir wild mit hobbypsychologischen Diagnosen um uns werfen, bevor wir überhaupt wissen, welches Verhalten des pathologisierten Feedbackadressaten uns eigentlich stört. Smileys in Feedback-Apps und andere Formen der quantitativen Mitarbeiterbefragung enthalten diese entscheidende Stufe übrigens nicht.
Noch wirksamer für Empfänger, Geber und die Organisation wird Feedback, wenn wir uns außerdem fragen, wozu wir uns das veränderte Verhalten wünschen. Wozu ist es wichtig, dass meine Kollegin pünktlich zum Meeting erscheint? Wozu soll mein Mitarbeiter den vereinbarten Prozess einhalten? Diese Frage ist zum Einen ein Test für den Feedbackgeber: Zahlt die von ihm gewünschte Verhaltensänderung auf ein produktives Miteinander im Sinne der gesamten Organisation ein? Oder dient sie lediglich der Befriedigung seiner persönlichen Vorlieben? Zum Anderen wird es dem Feedbackempfänger sehr viel leichter fallen, das gewünschte Verhalten umzusetzen, wenn es einen Bezug zu einem übergeordneten Ziel hat. Und wenn der Feedbacknehmer der Meinung ist, dass sich dieses Ziel auch über andere Wege erreichen lässt, hat auch der Feedbackgeber die Chance, etwas dazuzulernen.
2. Feedback wird durch manipulative Techniken entwertet
Eine weitverbreitete Meinung über “gutes Feedback” ist erstaunlicherweise immer noch, dass kritisches Feedback immer von positivem Feedback ummantelt überreicht werden sollte – die sogenannte Sandwichmethode. Jeder, der schon einmal einen Bissen eines solchen Feedbacksandwichs probieren durfte, wird jedoch gemerkt haben, dass es den faden Beigeschmack der Manipulation hat. Ich gebe etwas Positives bei, damit der Feedbackempfänger meine Kritik besser schluckt. Diese Taktik ist durchschaubar und entwertet sowohl die verpackte Kritik als auch das beigemischte Lob.
Was hilft?
Die Grundidee des Sandwichs, nämlich eine ausgewogene Betrachtung von Positivem und Negativem, ist durchaus nützlich. So vermeiden wir vorschnelle Bewertungen und weiten unseren Blick für das weniger Offensichtliche, aber nicht weniger Bedeutsame. Statt jedoch für jedes kritisierte Verhalten ein positives Gegenstück zu suchen, sollten wir das Positive in genau dem vermeintlich negativen Verhalten suchen.
Was ist das Positive daran, dass meine Kollegin zum Meeting zu spät erscheint? Vielleicht ist es ihr wichtig, Dinge abzuschließen, bevor sie sich einem neuen Thema widmet. Vielleicht ist sie dadurch – wenn sie dann endlich da ist – mit ihrer vollen Aufmerksamkeit im Meeting. Vielleicht hält mein Mitarbeiter sich nicht an den vereinbarten Prozess, weil er Zweifel an seiner Sinnhaftigkeit hat. Vielleicht hat er sogar Schwachstellen des Prozesses erkannt und kompensiert diese durch eigenmächtige Entscheidungen.
Die Suche nach dem Guten im Schlechten und dem Schlechten im Guten weitet unseren Blick für Lösungen, die jenseits der Optimierung vermeintlich defizitären Verhaltens einzelner Personen liegt. Sie stößt uns auf die Ursachen des kritisierten Verhaltens und lässt uns Lösungen finden, die für die gesamte Organisation nützlich sind.
3. Feedback wird durch Managementsysteme korrumpiert
“Unser Budget lässt dieses Jahr keine 100%-ige Bonusausschüttung zu, daher muss ich Dir im Bereich Kommunikation eine 3 geben, obwohl Du eigentlich eine 1 verdient hättest. Also, lass Dich von diesem HR-Kokolores jetzt nicht verunsichern, Du bist top und ich schätze Dein Engagement sehr!”
Unternehmen, in denen solche “Feedbackgespräche” stattfinden, haben es geschafft, sich ein Performance-Management-System zu bauen, das die Anerkennung guter Leistung systematisch verhindert. In der nächsten anonymen Mitarbeiterbefragung stellt sich dann heraus, dass die Mitarbeiter mit der gelebten Feedbackkultur unzufrieden sind. Also werden die Führungskräfte in Feedbackseminare geschickt, wo sie das Drei-Stufen-Modell und die Sandwichmethode lernen. Willkommen in der Feedback-Sackgasse. Neben methodischen Irrtümern gibt es in Unternehmen eine Reihe von Managementsystemen, die gelingendes Feedback verhindern.
Was hilft?
Wenn Feedback in einem Unternehmen nicht selbstverständlich ist, liegt es in den allerwenigsten Fällen daran, dass Mitarbeiter und Führungskräfte nicht wissen, wie man Feedback gibt. In diesen Unternehmen gilt es, hindernde Strukturen, Prozesse und Routinen zu identifizieren und abzuschaffen bzw. durch wirksamere zu ersetzen. Welche Strukturen das sind, ist mindestens einen eigenen Blogartikel wert. Instrumente wie die Talentmatrix gehören dazu. Viele weitere kann man in den Büchern von Niels Pfläging und Silke Hermann, Reinhard Sprenger oder Lars Vollmer nachlesen.
Feedback ist überall – wenn wir es sehen wollen
Gelingendes Feedback ist aufgrund weit verbreiteter Mythen und kontraproduktiver Managementsysteme unwahrscheinlich. Aber es ist möglich. Möglich wird es vor allem dann, wenn wir Feedback nicht allein als das verstehen, was ausdrücklich so heißt, sondern alle Reaktionen unserer Kollegen, Kunden, Mitarbeiter und Führungskräfte als Feedback verstehen. “Man kann nicht nicht kommunizieren”, sagt Paul Watzlawick. Das heißt, man kann nicht nicht Feedback geben.
Statt unsere Kunden, Mitarbeiter und Chefs in einer App um die Auswahl eines Emoticons zu bitten, sollten wir unseren Gesprächspartnern einfach wieder häufiger ins Gesicht schauen – da sind die Emoticons nämlich standardmäßig eingebaut.
Was sind Ihre und Eure Erfahrungen mit Feedback im Unternehmen? Welche Beispiele für gelingendes Feedback und misslungene Rückmeldungen habt Ihr? Ich freue mich über Erfahrungsberichte in den Kommentaren.
Bild: Unsplash, Tom Pumford