Hilfe, meine Führungskraft will mich coachen!

Beitragsbild: Führungskraft als Coach

Zum Verhältnis von Führung und Coaching.

Zur Charakterisierung von moderner Führung wird häufig von der Führungskraft als Coach gesprochen. Unter Führungsexperten löst dieser Vergleich jedoch regelmäßig leidenschaftliche Diskussionen darüber aus, was daran missverständlich, revolutionär oder Quatsch sei. Die jüngste Diskussion zwischen Nico Rose, Sebastian Hollmann und anderen habe ich zum Anlass genommen, meine eigenen Gedanken zu dem Thema zu sortieren und Orientierung für den Führungsalltag zu geben.

In guter philosophischer Manier mute ich meinen Lesern zunächst zwei Definitionen zu:

Was ist Coaching?

Coaching ist eine Form der persönlichen Beratung, bei der es darum geht, den Klienten bei der Findung und Erreichung seiner Ziele zu unterstützen. Beim Deutschen Verband für Coaching und Training heißt es:

“Professionelles Coaching setzt ganz auf die Entwicklung individueller Lösungskompetenz. Der Klient bestimmt das Ziel des Coachings. Der Coach verantwortet den Prozess, bei dem der Klient neue Erkenntnisse gewinnt und Handlungsalternativen entwickelt.“

Die Ziele von Coaching sind also immer individuell und werden vom Klienten bestimmt. Welche Mittel im Coaching eingesetzt werden, ist sehr unterschiedlich. Gemein ist ihnen, dass es um die Gestaltung eines Prozesses geht, durch den der Klient eigene Lösungen entwickelt. Coaching ist also Prozessberatung. Oft wird auch von Hilfe zur Selbsthilfe gesprochen. Die Beziehung zwischen Coach und Klient ist gleichberechtigt.

Was ist Führung?

Nach Lutz von Rosentiel ist Führung “die bewusste und zielbezogene Einflussnahme auf Menschen”.

In Unternehmen ist Führung auf die Unternehmensziele gerichtet. Aufgabe von Führungskräften ist es also, ihre Mitarbeiter so zu beeinflussen, dass das Unternehmen seine Ziele erreicht. Die wesentlichen Mittel von Führung sind Kommunikation und Entscheidungen. Die Rolle der Führungskraft ist der Rolle des Mitarbeiters hierarchisch übergeordnet. Führungskräfte können ihren Mitarbeitern Weisungen erteilen, an die diese arbeitsvertraglich gebunden sind.

Woher kommt die Verwirrung?

Betrachtet man diese beiden Definitionen, so fällt auf, dass Coaching und Führung sich sowohl in ihren Zielen als auch in Mitteln und Beziehung grundsätzlich voneinander unterscheiden. Führung verfolgt Organisationsziele, während Coaching das Ziel des Klienten verfolgt. Coaching ist Prozessberatung, während ein wesentliches Mittel von Führung die Entscheidung ist. Coaching setzt eine Beziehung auf Augenhöhe voraus, während Führung durch eine hierarchische Unter- bzw. Überordnung legitimiert wird. Ein Coach, der den Klienten im Sinne der Organisationsziele beeinflusst, ist kein Coach. Und eine Führungskraft, die keine Entscheidungen trifft, ist keine Führungskraft. Woher kommt also die Verwirrung?

Grafik: Unterschiede zwischen Coaching und Führung
Coaching und Führung unterscheiden sich in Zielen, Mitteln und Art der Beziehung

Die Schwierigkeit besteht darin, dass hierarchische Führung nach einem tayloristischen Management-Verständnis an Grenzen stößt und einen Großteil des Potentials von Mitarbeitern ungenutzt lässt. Moderne Führungsansätze bedienen sich daher vermehrt partizipativer und ergebnisoffener Prozesse, Methoden und Instrumente, um das Lösungspotential der Mitarbeiter zur Erreichung der Unternehmensziele zu nutzen. Diese Ansätze ähneln in Methodik und Haltung vielfach dem Prozesscharakter von Coaching. Daher der Vergleich.

Die Nutzung von Coaching-artigen Methoden in der Führung lässt jedoch nicht den Schluss zu, dass moderne Führungskräfte grundsätzlich als Coach der Mitarbeiter agieren sollten, denn:

  • Das übergeordnete Ziel von Führung bleibt gleich. Es geht um die Erreichung der Unternehmensziele. Es geht niemals um die Erreichung der individuellen persönlichen Ziele des Mitarbeiters. Aufgabe der Führungskraft ist es durchaus, diese Ziele zu berücksichtigen, zu erfragen und mit den Organisationszielen bestmöglich in Einklang zu bringen. Die Erreichung der persönlichen Ziele des Mitarbeiters ist jedoch auch in modernen Organisationen nicht das Ziel von Führungsarbeit.
  • Führungskräfte müssen in bestimmten Situationen weiterhin Entscheidungen treffen, die unter Umständen der partizipativ erarbeiteten Handlungsempfehlung ihrer Mitarbeiter widersprechen. Sie müssen die Interessen anderer Stakeholder sowie Umweltbedingungen berücksichtigen und tragen die Verantwortung für ihre Entscheidungen.

Was bedeutet das für mich als Führungskraft?

Als Führungskraft haben Sie immer die Qual der Wahl: Welche Handlung ist in welcher Situation zielführend? Auf diese Frage gibt es keine Pauschalantwort. Sie hängt von Ihnen als Persönlichkeit, Ihren Businessanforderungen, der vorherrschenden Unternehmenskultur, den Interessen Ihrer Stakeholder und denen Ihrer Mitarbeiter ab. Die gute Nachricht ist: Es gibt hier kein Richtig oder Falsch. Wenn Ihnen die Nutzung partizipativer Methoden zur gemeinsamen Erarbeitung einer Lösung sinnvoll erscheint, dann nutzen Sie sie. Wenn eine bestimmte Situation eine schnelle Entscheidung erfordert, dann entscheiden Sie.

Wichtig ist, dass Sie beim Spiel mit den verschiedenen Führungsmethoden Rollenklarheit bewahren. Agieren Sie gerade als prozessorientierter Moderator oder als hierarchisch übergeordnete Führungskraft? Artikulieren Sie diese Unterschiede gegenüber ihren Mitarbeitern. Machen Sie in der jeweiligen Situation deutlich, was bereits entschieden ist und worüber Sie mit Ihrem Team diskutieren möchten. Sonst fühlen Ihre Mitarbeiter sich im einen Fall manipuliert (scheinbar partizipativer Prozess mit vorab definiertem Ergebnis) und nehmen Sie im anderen Fall nicht ernst (offene Diskussion, obwohl eine Entscheidung Ihrerseits gefragt wäre). Und damit keine Missverständnisse aufkommen: Nennen Sie sich Führungskraft. Nicht Coach.

Quellen:

Deutscher Verband für Coaching und Training e. V. (2017): Definition Coaching. URL: http://www.dvct.de/coaching/definition/

Von Rosenstiel, L. (2009): Grundlagen der Führung. In: L. von Rosenstiel, M. Domsch, & E. Regnet (Hrsg.): Führung von Mitarbeitern, 6. Aufl., S. 3–27. Stuttgart: Schäffer‐Poeschel

Bild: Unsplash, Henry McIntosh

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