Warum Philosophen gute Manager sind

Wer sich, wie ich, deutlich vor seinem fünfzigsten Lebensjahr für ein geisteswissenschaftliches Studium entscheidet, insbesondere für das Fach Philosophie, der sieht sich häufig dem Vorwurf und der Angst ausgesetzt, “brotlose Kunst” studiert zu haben. Zu wenig praxisbezogen und unmittelbar anwendbar erscheinen die Inhalte eines Philosophie-Studiums. Wer als “Meister der Künste” die Hochschule verlässt, kann weder Bilanzen erstellen noch Apps programmieren. Warum also sollten Unternehmer Philosophen einstellen?

Weil sie eine der wichtigsten Führungskompetenzen mitbringen, die sich nicht in einem dreitätigen Seminar lernen lässt: Antworten auf prinzipiell unentscheidbare Fragen zu finden.

Prinzipiell unentscheidbare Fragen sind im Gegensatz zu prinzipiell entscheidbaren Fragen solche, auf die es keine eindeutige Antwort gibt (vgl. Foerster, zitiert nach Seliger 2014, S. 114). “Wie hoch ist unser Umsatz?”, “Wie hoch sind unsere Produktionskosten?” und “Ist mein Unternehmen rentabel?” sind prinzipiell entscheidbare Fragen. Die Antworten lassen sich empirisch durch Messungen und Berechnungen ermitteln. “Soll ich meinen Konkurrenten kaufen?”, “Soll ich einen Teil meiner Mitarbeiter entlassen?” und “Welche Ziele soll mein Unternehmen verfolgen?” sind prinzipiell unentscheidbare Fragen. Auf sie gibt es keine eindeutige Antwort. Was richtig und was falsch ist, lässt sich empirisch nicht – oder erst im Nachhinein – feststellen. Und gleichzeitig ist die Entscheidung genau dieser Fragen die wichtigste Aufgabe von Führung in Unternehmen (vgl. Seliger 2014, S. 114ff.).

Philosophen sind Experten in der Beantwortung solch unentscheidbarer Fragen wie “Was kann ich wissen?” und “Was soll ich tun?”. Sie haben gelernt, sie aus verschiedenen Blickwinkeln zu betrachten, Argumente systematisch zu prüfen und sich eine fundierte Meinung zu bilden. Sie haben gelernt, mit der Unsicherheit umzugehen, die die Nicht-Beantwortbarkeit dieser Fragen erzeugt. Sie wissen, dass sie nichts wissen und können sich doch für die eine oder andere Alternative entscheiden. Und erklären, warum. Das ist Führungskompetenz.

Seliger, R. (2014): Das Dschungelbuch der Führung. Ein Navigationssystem für Führungskräfte. 5. Aufl. Heidelberg: Carl Auer.

Foerster, Heinz von (1993): KybernEthik. Berlin: Merve.

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