Das Tool-Dilemma: HR zwischen Verdrossenheit und Verheißung

Wenn es um die Frage nach der Gestaltung von HR-Instrumenten geht, beschäftigen zwei gegenläufige Trends seit einer Weile die HR Community: Einerseits hat die Ernüchterung über den geringen Nutzen klassischer Instrumente wie der Leistungsbeurteilung zu einer Abkehr vom Ideal der Quantifizierung weicher Faktoren wie Verhalten und Persönlichkeit geführt. Andererseits versprechen Digitalisierung, Big Data und People Analytics “eine rationalere und damit bessere Entscheidungsgrundlage in verkürzter Zeit”. Wie soll HR in diesem Spannungsfeld entscheiden, was das richtige Tool ist?

Für die Abkehr von der Vermessung des Menschen im Unternehmen spricht, dass die gängigen Instrumente keine nützlichen Erkenntnisse bieten, zu viel Zeit kosten und wichtigen Grundprinzipien moderner Führung widersprechen. So ist Armin Trost der Ansicht: “Das traditionelle, jährliche Mitarbeitergespräch ist hervorragend dazu geeignet, moderne Führung zu beschädigen. Man zwingt Führungskräfte dazu, über Mitarbeiter zu richten, was gute Führungskräfte, die partnerschaftlich oder als Coach auf Augenhöhe führen niemals tun würden.” Die Lösung: häufigere, informelle Gespräche wie sie z.B. GE neuerdings praktiziert. Sie ermöglichen den Blick in die Zukunft statt auf vergangene (Minder-)Leistung, das Eingehen auf individuelle Bedürfnisse und schnelle Reaktionen auf veränderte Rahmenbedingungen. Statt Mitarbeiter in ein quantitatives Datengerüst zu pressen und mit mechanistisch missverstandenen Managementtechniken zu führen, rücken die “neuen” Ansätze das Individuum und den Prozesscharakter von Führung in den Vordergrund. Endlich fühlt der Menschenfreund im Personaler sich verstanden und hat einen Grund, den ganzen Zahlenmist abzuschaffen…

Doch dann ruft der HR IT-Anbieter an und verspricht, dass man mit seinen Tools durch Big Data evidenzbasierte Entscheidungen treffen könne, keine Fehlbesetzungen mehr zu fürchten habe und das Talentproblem durch klare Analysen im Nu gelöst sei. Klingt verlockend. Endlich kann HR mit den Controllern mithalten und dem Business nicht nur seine Menschenkenntnis, sondern handfeste Zahlen als Entscheidungsgrundlage liefern. “Verstehe!”, denkt sich da der Personaler. “Unsere klassischen Tools haben nur deshalb nichts gebracht, weil sie auf einer viel zu geringen Datenmenge basierten. Die Bewertung von Leistung in fünf Dimensionen auf einer fünfstufigen Skala reicht einfach nicht aus! Wir brauchen mehr Daten. Viel mehr Daten. Wir brauchen BIG Data. Aber Moment mal… wenn mein Business jetzt nur noch Daten braucht, um die richtigen Personalentscheidungen zu treffen, wo bleibe ich als Personaler dann?” Ist doch klar: Der Personaler ist zukünftig der Statistik-Berater, der dem Business erklärt, dass das mit den vielen Daten alles super ist, aber “menschliches Verhalten so komplex ist, dass nicht alles berechnet werden kann”. Also doch keine Evidenz trotz BIG Data?

Wenn das mal kein Fall für einen Philosophen ist… 😉

 

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